Moliére – Tartuffe

Willkommen im Frankreich des 17. Jahrhunderts, wo ein überheblicher Heuchler mit Namen Tartuffe versucht, sich durch List und Frömmigkeit eine reiche Familie einzuverleiben. Molière liefert uns mit Tartuffe eine Komödie, die so bissig und unterhaltsam ist, dass man sich glatt wie in einer modernen Reality-Show fühlt – nur eben mit Perücken, Puderdosen und einer Menge religiöser Scheinheiligkeit. Das Ergebnis? Ein herrliches Chaos, das beweist, dass der menschliche Hang zur Doppelmoral mindestens so alt ist wie die Kunst des Perückenpuderns.

Die Handlung startet bei der gutbürgerlichen Familie des leichtgläubigen Orgon, der sich einen neuen Freund des Hauses zugelegt hat: Tartuffe, der vorgeblich fromme, tatsächlich aber ziemlich verkommene religiöse Eiferer. Orgon ist überzeugt, dass Tartuffe der Inbegriff der Tugendhaftigkeit ist, während alle anderen, vom Dienstmädchen Dorine bis zu seiner Frau Elmire, den Scharlatan als das durchschauen, was er ist: einen falschen Heiligen, der sich mit Frömmigkeit und ein paar geschickt gestreuten Bibelzitaten in die Familie hineinschmeichelt – und am liebsten auch gleich das gesamte Vermögen einstecken würde.


Orgon jedoch ist blind vor Verehrung und beschließt, dass seine Tochter Mariane diesen vortrefflichen Heuchler heiraten soll, was den Rest der Familie in panische Betriebsamkeit versetzt. Alle versuchen verzweifelt, Orgon die Augen zu öffnen – aber was soll man sagen? Der Mann ist so begeistert von Tartuffes scheinbarer Tugend, dass man sich fragt, ob er eigentlich bewusst ein Abo auf die Dummheit abgeschlossen hat. Er ignoriert alle Warnungen, verteidigt Tartuffe bis aufs Blut und würde vermutlich selbst dann noch auf dessen Tugendhaftigkeit bestehen, wenn der ihm das Tafelgeschirr klauen würde.


Das Highlight der Geschichte ist zweifellos das komplizierte Manöver, das Elmire – Orgons kluge und gewitzte Frau – schließlich anwendet, um ihrem Mann die Augen zu öffnen: Sie arrangiert ein heimliches Treffen mit Tartuffe, bei dem sie ihn dazu bringt, seine wahre Natur zu offenbaren. Der Plan ist genial und lässt Tartuffe (und die Leser) im besten Stil eines TV-Schurken in eine blamable Falle tappen. Orgon erkennt endlich den Verrat – allerdings nicht, bevor er Tartuffe bereits sein gesamtes Hab und Gut überschrieben hat. Der Fake-Frömmler steht kurz davor, den Jackpot zu knacken, und es wirkt schon fast so, als könnte er tatsächlich als Sieger aus der Geschichte hervorgehen.


Zum Glück für Orgon und seine Familie kommt im letzten Moment die königliche Justiz und sorgt dafür, dass Tartuffe geschnappt und abgeführt wird. Man könnte fast meinen, der König selbst habe das Drehbuch geschrieben, so gut greift die Gerechtigkeit ein – ein kleiner Seitenhieb Molières, der seine Stücke unter einem König aufführen musste, der sehr darauf bedacht war, das letzte Wort zu haben.


Die Charaktere? Ein Traum für jeden Satiriker. Orgon ist der Inbegriff der Naivität, Tartuffe der brillante Heuchler, der so skrupellos ist, dass man ihm fast Respekt zollen muss, und Dorine, das gewitzte Dienstmädchen, hat mehr gesunden Menschenverstand als der Rest des Haushalts zusammen. Die Dialoge sind knackig, die Wortspiele spritzig, und die Moral? Nun, wer braucht Moral, wenn man eine Komödie hat, die uns zeigt, wie leicht die Menschen auf schöne Worte und falsche Masken hereinfallen?


Zusammengefasst: Tartuffe ist ein satirisches Feuerwerk, das die menschliche Schwäche für schöne Lügen und religiöse Heuchelei gnadenlos bloßstellt. Molière zeigt uns, dass die falschen Heiligen immer unter uns sind – aber auch, dass man ihnen mit ein bisschen Cleverness und einem gut gelegten Plan das Handwerk legen kann. Ein Muss für alle, die sich über die Dummheit und Dreistigkeit amüsieren können, ohne selbst zu vergessen, die eigenen Vorurteile ab und zu in Frage zu stellen. Molière macht klar: Wer zu blind ist, um den Wolf im frommen Schafspelz zu erkennen, muss eben auf den cleveren Rest hoffen.

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